Am 10. April 2013 wird das zehnjährige Bestehen der Stiftungsprofessur in Olmütz und deren zukünftige Verstetigung gefeiert. Die Schirmherrschaft über die Feier übernahm der Beauftragte für Kultur und Medien der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland, Bernd Neumann und der Außenminister der CR, Karel Schwarzenberg.
Am 10. April 2013 wird das zehnjährige Bestehen der Stiftungsprofessur in Olmütz und deren zukünftige Verstetigung gefeiert. Die Schirmherrschaft über die Feier übernahm der Beauftragte für Kultur und Medien der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland, Bernd Neumann und der Außenminister der CR, Karel Schwarzenberg. Zur Feier geladen sind Vertreter wichtiger deutscher und österreichischer Institutionen, mit denen der Lehrstuhl für Germanistik und die Palacky-Universität zusammenarbeitet: Botschaft der BRD, DAAD, Goethe-Institut, Volkswagen Stiftung, Konrad Adenauer Stiftung, Deutsch-tschechischer Zukunftsfond, Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, Deutsches Kulturforum östliches Europa, Adalbert Stifter Verein, Collegium Carolinum, Sudetendeutsche Akademie, österreichisches Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Österreichisches Kulturinstitut, Partner-Germanistiken, tschechischerseits dann Vertreter des Außen- und des Bildungsministeriums, Vertreter der Parlamentsgruppe für auswärtige Angelegenheiten, Vertreter regionaler Politik. Die hochkarätige Besetzung der Feier (der ein Symposium zum Sinn und Ergebnissen der Stiftungslehrstühle in Europa folgen wird) bietet die Möglichkeit, die langjährige Unterstützung der tschechischen Forschung, Lehre, Kultur und Kunst vonseiten Deutschlands und Österreichs zu reflektieren und zu würdigen.
Die „Stiftungsprofessur für deutsche Literatur in den böhmischen Ländern“ wurde vom Bundesminister für Kultur und Medien der Bundesrepublik Deutschland an der Palacky-Universität Olmütz im Jahre 2003 als die erste Stiftungsprofessur, die die Bundesregierung in einem europäischen Nachbarland initiierte, eingerichtet und mit einer Anschubfinanzierung für die ersten 5 Jahre in Höhe von 300 000 E ausgestattet. Der Stiftungslehrstuhl wurde der hier seit 1997 bestehenden „Arbeitsstelle für deutschmährische Literatur“ und dem Lehrstuhl für Germanistik einverleibt, zum Stiftungsprofessor wurde Dr. habil. Jörg Krappmann ernannt.
Im Grußwort anlässlich der Inaugurationsfeier formulierte Staatsministerin Dr. Christina Weiss die Erwartungen, die die Bundesregierung in die Einrichtung des Stiftungslehrstuhls legte und anerkannte zugleich die Leistungen, die hier, im Lehrstuhl für Germanistik, bei der Pflege der deutschen Kultur aus Böhmen und Mähren bereits erbracht wurden:
„Es ist der Wunsch aller derjenigen, die sich dem Beitrag der Deutschen zur Kultur und Geschichte Mittel- und Osteuropas als Wissenschaftler zuwenden oder sich ihm als Politiker verpflichtet wissen, dass diese Beschäftigung in besonderer Weise an den Universitäten vor Ort gepflegt und weiterentwickelt wird. Nirgendwo kann man soviel über die deutsche Literatur der Kulturlandschaften Böhmen oder Mähren erfahren, nirgendwo ist die Aufgeschlossenheit und die Bereitschaft, sich wissenschaftlich oder pädagogisch für diesen Kulturbeitrag zu engagieren, so groß, wie gerade in diesen Regionen selbst. Hier am Germanistischen Lehrstuhl, wo Tschechen und Deutsche gemeinsam wissenschaftlich arbeiten und sich besonders der Erforschung der in deutscher Sprache verfassten mährischen Literatur verschrieben haben, wird ein sehr wesentlicher und höchst anerkennenswerter Beitrag geleistet zur Bewahrung eines gemeinsamen Erbes, das Deutsche und Tschechen miteinander verbindet. Dies auch in der Zukunft zu erhalten und zu fördern und damit nicht nur dem wissenschaftlichen Fortschritt zu dienen, sondern auch die deutsch-tschechische Verständigung im Rahmen eines vereinten Europa weiter zu entwickeln, ist ein Anliegen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland; es hat die Bundesregierung und mein Haus bei der Errichtung der Stiftungsprofessur geleitet.“
Der Stiftungsprofessor beteiligt sich seither an den Aktivitäten der Arbeitsstelle als einer deren wissenschaftlichen Leiter und Garanten. Seine Aktivitäten liegen in drei Tätigkeitsbereichen: der Forschung, der Lehre und der Öffentlichkeitsarbeit. Die Arbeitsstelle erreichte in allen drei Sparten in den vergangenen zehn Jahren bemerkenswerte Resultate, die europaweit anerkannt werden:
Im Bereich der Grundlagenforschung wurden ca. 2500 vergessene Autoren und Texte der deutschmährischen Literatur neu entdeckt, gesammelt, in Datenbanken verzeichnet, kommentiert, wissenschaftlich ausgewertet, neu ediert, kontextualisiert, für den Zugriff der Literaturgeschichtsschreibung und der Leserschaft bereit gestellt. In vier wissenschaftlichen und einer populären Bücherreihe gab die Arbeitsstelle bisher 32 Publikationen zum Thema deutschmährische und deutschböhmische Literatur heraus, die Mitarbeiter der Arbeitsstelle publizierten dutzende von wissenschaftlichen Studien in Zeitschriften und Sammelbänden.
Dabei gelang es in den letzten Jahren, in Zusammenarbeit mit der Germanistik in Prag, die regionale Literaturforschung an den literaturtheoretischen und methodologischen Diskurs in Deutschland anzubinden. Dadurch wird die Konkurrenzfähigkeit der tschechischen Germanistiken mit der Inlandsgermanistik weitgehend hergestellt. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse einer ethnologisch-anthropologisch verstandenen Literatur- bzw. Kulturwissenschaft wurde ein Verständnis von Region entwickelt, das diese von allen abwertenden Kriterien im Sinne von Provinz befreit. Anhand der eng umrissenen, dennoch komplexen Zusammenhänge innerhalb der Region können so Ergebnisse erzielt werden, die von der global ausgerichteten Kulturwissenschaft zwar gefordert, aber aufgrund der immensen Datenfülle letztlich nicht erreicht werden können. Gerade Böhmen und Mähren, mit seinen ethnischen, kulturellen und geistesgeschichtlichen Verwicklungen bietet reichhaltiges Potential, das durch breitere Forschung zu beispielhaften Ergebnissen auch für weitere Regionen führen wird.
Um ihren Forschungsschwerpunkt sammelte die Arbeitsstelle einen großen Kreis von Partnern und Mitarbeitern aus Deutschland und Österreich und ist – vor allem dank der Initiierung und Organisation von internationalen Tagungen – zur anerkannten Forschungs- und Begegnungsstätte geworden. Zu den Partnerinstitutionen zählen sowohl Germanistikinstitute in Österreich, Deutschland, Polen und Ungarn (Wien, Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Potsdam, FU Berlin, TU Dresden, Konstanz, Weimar, Chemnitz, Breslau, Budapest) als auch außeruniversitäre Forschungsstellen und Kulturinstitute (Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa Oldenburg, Deutsches Kulturforum östliches Europa Potsdam, Adalbert Stifter Verein München, Collegium Carolinum, Sudetendeutsche Akademie, Haus des deutschen Ostens, Kulturgilde Esslingen u.a.m).
Der Stiftungsprofessor wahrt die für eine Universitätseinrichtung typische Doppelfunktion, verbindet Forschung und Lehre, indem das Team der Arbeitsstelle sowohl aus erfahrenen Wissenschaftlern als auch aus 10 bis 30 Studenten verschiedener Studienabschnitte besteht. Diese Zusammensetzung des Forscher-Teams garantiert Ausbildung im Forschungsprozess: Unter der Ägide der Arbeitsstelle verfassen und publizieren Studenten und Doktoranden ihre ersten wissenschaftlichen Studien und lernen schrittweise die Methoden wissenschaftlichen Arbeitens. Die deutschböhmische und deutschmährische Literatur und Kultur ist prüfungsrelevantes Fach: in jedem Semester werden mindestens drei Veranstaltungen zu diesem Schwerpunkt angeboten. Zudem wurde der Lehrstuhl zu einem Anlaufpunkt von Doktoranden aus Deutschland und Österreich (Köln, Leipzig, München, Wien, Graz), die die Konzeption ihrer Dissertationsvorhaben oder Teile davon, die im Bereich der mährischen, böhmischen, aber auch der Prager deutschen Literatur liegen, vor Ort mit den ansässigen Fachkräften diskutieren. Die eigenen Doktoranden des Lehrstuhls fanden wiederum Aufnahme in die internationale Doktorandenschule Konzepte gegenwärtiger Literaturtheorien und Methoden des Vladimir-Admoni-Programms des DAAD.
Die Öffentlichkeitsarbeit wendet sich vor allem dem tschechischen Publikum zu, das über ein recht geringes Bewusstsein über die Wichtigkeit der deutschen Komponente in der Geschichte und Kultur des eigenen Landes verfügt, was als Folge der ideologisierten Kulturpolitik des sozialistischen Totalitarismus der vergangenen Jahre (als deutsche Themen tabu waren), und aber auch des heutigen Rückzugs des Deutschen als Kultursprache Mitteleuropas, zu deuten ist. Vornehmlich ans tschechische Publikum wendet sich die Arbeitsstelle mit Dichterlesungen, Ausstellungen, Rundfunksendungen, der Bücherreihe tschechischer Übersetzungen belletristischer Texte, poetica moravie, populären Veröffentlichungen, populären Forschungsberichten in der lokalen Presse usw. Die vor kurzem abgeschlossene Präsidentschafts-Wahlkampagne in Tschechien, in der die deutsch-tschechische Vergangenheit des Landes missdeutet, missbraucht und als „deutsche Karte“ zum Schüren von Ressentiments und Aufwärmen nationalistischer Mythen instrumentalisiert wurde, hat gezeigt, wie wichtig die Aufklärungsarbeit und objektive, wissenschaftlich untermauerte Berichterstattung über dieses Thema ist.
Der Stiftungsprofessor versteht seine Tätigkeit – im Sinne der Erwartungen der Bundesregierung – als einen Beitrag zur Bewahrung eines gemeinsamen mitteleuropäischen Kulturerbes. Deswegen müssen zu seinem Tätigkeitsbereich auch weiterreichende Aktivitäten gezählt werden, wie die Gründung eines (heute) selbständigen Zentrums für judaistische Studien (dessen Mitarbeiter sich schwerpunktmäßig mit der Geschichte der Juden aus Böhmen und Mähren beschäftigen), und die Etablierung eines neuen Studienprogramms „Deutsch als Sprache der Geisteswissenschaften“, das dem angesprochenen Rückzug des Deutschen als Kultur- und Wissenschaftssprache Tschechiens und Mitteleuropas Einhalt gebieten will. Das neue Studienprogramm wurde mit Unterstützung der Volkswagen Stiftung eingerichtet; der Lehrstuhl erhielt für diese Aktivität im Jahre 2010 den „Kulturpreis deutsche Sprache“ verliehen.
Die Existenzgrundlage des Stiftungslehrstuhls und der Arbeitsstelle für deutschmährische Literatur bildete bis 2012 der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Palacky-Universität. Demnach wurde die Stelle des Stiftungsprofessors und dessen Ausstattung mit Sachmitteln weitere fünf Jahre von der Universität und der Philosophischen Fakultät finanziert. Nach Ablauf dieser vertragsmäßig garantierten Frist beschloss der Rektor der Palacky-Universität die Stelle des Stiftungsprofessors auf Dauer zu verstetigen.
Ingeborg Fiala-Fürst